Der „Allgemeine Arbeiter-Verein“

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Am 22. Oktober 1895 feierte der Wörgler Arbeiterverein sein einjähriges Gründungsfest, „welches unter zahlreicher Beteiligung der Freunde und Genossen aus verschiedenen Orten einen glänzenden Verlauf nahm.“

Josef Holzhammer
Josef Holzhammer

Auch viele Besucher:innen aus Häring waren dabei und hörten die Festrede Josef Holzhammers, Gründungsmitglied und führender Funktionär der Partei in Tirol, über die Bedeutung der Arbeitervereine. Bis zur Gründung eines Arbeitervereins in Häring allerdings sollten noch drei Jahre vergehen. Wieder war es Holzhammer, der mit seinem Referat anlässlich einer Versammlung in Häring im Oktober 1898 den Beschluss herbeiführte.

Johann Filzer

Die konstituierende Sitzung wurde dann am 2. Februar 1899 in Anwesenheit von über 200 Zuhörer:innen eröffnet, die mit großem Beifall den Reden von Johann Filzer aus Kitzbühel und Josef Gleinsler aus Innsbruck folgten. Filzer sprach über die kulturellen Aufgaben der Arbeitervereine, Gleinsler erläuterte den Unterschied zwischen katholischen und sozialdemokratischen Arbeitervereinen. Noch am gleichen Abend wurden 80 Beitrittserklärungen abgegeben und die Volkszeitung beschloss ihren Bericht mit einem Appell an die örtliche Arbeiterschaft: „Mögen die Genossen von Häring und Kirchbichl jederzeit eingedenk sein, daß ihnen eine große Aufgabe gestellt ist  und sich von den Gegnern nicht beeinflussen lassen, sondern jederzeit in Ehren halten unseren Wahlspruch Vorwärts.“ Der Verlauf der Maifeier des gleichen Jahres war dennoch ernüchternd. Der 1. Mai 1899 fiel auf einen Montag, an dem offenbar kaum jemand der Arbeit fernbleiben konnte oder wollte, und die Feier musste daher am vorhergehenden Sonntag stattfinden. Noch stehe die Mehrzahl der Arbeiter dem „edlen Bestreben“ teilnahmslos gegenüber, es mangle bislang sehr an „proletarischem Bewußtsein“ – so die Klage eines enttäuschten Häringer Genossen.

Ein Anfang indes war gemacht und zahlreiche Veranstaltungen in den folgenden Jahren – verzeichnet in der entsprechenden Rubrik der Volkszeitung – belegen die Aktivitäten des Arbeitervereins. Die Vereinsbibliothek, aufgebaut mit Buchspenden befreundeter Vereine und privater Spender, erfreute sich großer Beliebtheit und der erste „Allgemeine Arbeiterball“ beim Altwirt war trotz der Proteste von Pfarrer Josef Haller bestens besucht. Das Erstarken der Wahlrechtsbewegung fand seinen Niederschlag in politischen Volksversammlungen; der monatelange Bergarbeiterstreik in Böhmen zu Jahresbeginn 1900 wurde solidarisch unterstützt. Bei den Gemeinderatswahlen 1914 kandidierten die Häringer Sozialdemokraten zum ersten Mal mit einer eigenen Liste, unterlagen aber knapp der christlichsozialen Mehrheit. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs und der Ausrufung der Republik hingegen hatte sich das Blatt gewendet: Die Partei stellte mit annähernd 70 % der Stimmen 11 von 16 Mandataren im neuen Gemeinderat vom November 1919 und der Bergarbeiter Remigius Margreiter wurde der erste demokratisch gewählte Bürgermeister des Ortes.