An die Anfänge erinnerte sich Jahre später Gemeinderätin Burgi Gastl: „Als die gesetzliche Bestimmung herausgegeben wurde, daß die Konsumgenossenschaften nur an Mitglieder verkaufen dürfen, wurde in Häring der Verein ‚Arbeiterheim‘ gegründet und das Haus wegen des Gasthausbetriebes vom ‚Allgemeinen Lebensmittelmagazin‘ an diesen Verein verkauft.“ Tatsächlich wurde das Gasthaus zunächst nur gepachtet – der Kauf des Hauses war erst 1929 möglich. Die Statuten des neuen Vereins sind nicht erhalten – dass sie denen anderer Arbeiterheim-Vereine ähnelten, ist anzunehmen. „Der Vereinszweck“, nachzulesen in § 1 der Satzung des Kufsteiner Vereins von 1923, „ist die Erbauung oder Adaptierung eines Hauses an einem geeigneten Platz der Stadt Kufstein, sowie dessen Benützung, Erhaltung und Verwaltung. Dieses Haus soll die Zentralsammelstelle der Kufsteiner Arbeiterschaft ohne Unterschied der Nationalität oder Konfession bilden.“ Der entsprechende § 1 der Statuten des Arbeiterheim-Vereins Dornbirn von 1919 beschreibt die Funktion eines Arbeiterheims genauer: „Es soll ferner denRaum bieten für Vereinslokale der Arbeitervereine und Gewerkschaften, Konsum- und Produktionsgenossenschaften, fernerfür die Veranstaltungen und Versammlungen, Vorträge, Volksbildungswesen, Unterhaltungen, Theateraufführungen, Lichtbildervorträge, Turnen, Radfahren, Gesang und Musik, sowie Kinderspiele usw.“ Um ein mögliches Verbot durch die Behörden zu vermeiden, enthielten die Kufsteiner Statuten keine Bestimmung über eine erforderliche Zugehörigkeit der Vereinsmitglieder zur Sozialdemokratischen Partei. Die Finanzierung des Arbeiterheims (in Häring wie auch in Kufstein und später Wörgl handelte es sich nicht um einen Neubau, sondern den Umbau eines bestehenden Gebäudes) sollte neben Spenden hauptsächlich über Darlehen erfolgen, die der Verein verzinste und für die er Schuldscheine ausstellte. In den folgenden Jahren erfüllte das Vereinsheim seine Bestimmung als Mittelpunkt der einheimischen Arbeiterbewegung in jeder Hinsicht. Hier fanden Bezirkskonferenzen der Partei und Gründungsversammlungen von Ortsgruppen der sozialdemokratischen Vorfeldorganisationen wie der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) oder des Republikanischen Schutzbunds (RESCH) ebenso statt wie Schulungen von Parteifunktionär:innen. Im Frühjahr 1926 wurde der Fürsorgeverein „Volkshilfe“, im September 1926 eine Sektion des Arbeitersport- und Turnvereins gegründet.

Das Frauenkomitee Häring veranstaltete im Arbeiterheim gesellige „Kaffeeabende“, organisierte aber auch Bildungsvorträge mit der Landtagsabgeordneten Maria Ducia (oben im Bild) zur aktuellen politischen Situation in Österreich: Dies sei wichtiger denn je, so Ducia, weil es in Zeiten der Wirtschaftskrise vielen Arbeiterfamilien nicht mehr möglich sei, sich eine Tageszeitung zu leisten. Vorträge, zu denen eine größere Zuhörerschaft erwartet wurde, fanden weiterhin beim Altwirt statt. Unter den Referenten waren prominente Vertreter der Freidenker-Bewegung wie Anton Znayden, der den Glauben an ein Leben nach dem Tod als illusionäre Vertröstung der Arbeiterschaft anprangerte. Auch der im katholischen Tirol besonders angefeindete deutsche Schriftsteller und Publizist Theodor Meentzen (1875–1963), dessen Vorträge über die Entstehung des Lebens auf Grundlage naturwissenschaftlicher Erkenntnisse überall im Land auf großes Interesse stießen, war in den 1920er Jahren mehrmals Gast in Häring. Allen Arbeitervereinen (Freie Schule – Kinderfreunde, Theaterverein, Frauengesangsverein „Rote Nelke“, Arbeitergesangsverein „D’Knappen“, Arbeiterradfahrer u.a.) standen die Räume des Arbeiterheims für Zusammenkünfte und Veranstaltungen zur Verfügung. Die jährlichen Festtage der Arbeiterbewegung – das Märzgedenken an die Opfer der Revolution von 1848, die Maifeier, die Republikfeier am 12. November – wurden im Arbeiterheim organisiert.