
Der 26. Juni 1921 war ein Festtag der Häringer Arbeiterschaft: Ein Gasthof im Dorfzentrum, bis dahin im Besitz des Arbeiter-Consumvereins, wurde als „Arbeiterheim“ neu eröffnet. Genossen und Genossinnen aus den umliegenden Gemeinden feierten mit, eine Abordnung des Parteivorstands aus Innsbruck war angereist. Die Arbeitergesangsvereine von Kufstein, Wörgl, Kirchbichl und Brixlegg sorgten gemeinsam mit der Knappenmusik für gute Stimmung, ein Festkomitee hatte den Ablauf vorbereitet. Die sozialdemokratische Volkszeitung zeigte sich beeindruckt: „Alles in allem eine gelungene Veranstaltung, die den Häringer Parteigenossen alle Ehre macht.“
Der Stolz der Häringer Arbeiter:innen war berechtigt: Erst ein Jahr zuvor hatten sie sich im Verein „Arbeiterheim“ zusammengeschlossen und sie hatten geschafft, was in anderen Orten Tirols lange Zeit unerreichbar blieb: Nur in Kitzbühel (1901) und Innsbruck (1910) waren vor 1914 ähnliche Arbeiterheime eröffnet worden. Im benachbarten Wörgl, wo bereits seit 1894 ein „Allgemeiner Arbeiterverein“ bestand, gelang es gegen vielfältige Widerstände gar erst 1931, den Gasthof zur Rose in der Bahnhofstraße zu erwerben. Seit den Anfängen der organisierten Arbeiterbewegung am Ende des 19. Jahrhunderts mussten Treffen und Veranstaltungen in Gasthöfen stattfinden – in Häring etwa beim Altwirt mit seinem geräumigen Theatersaal. Immer wieder kam es zu „Saalabtreibungen“ – Druck vonseiten einer konservativen Gemeindeverwaltung und/oder der Kirche auf die Gastwirte, ihre Räumlichkeiten nicht an Arbeitervereine zu vermieten. Für ein Haus im Besitz der Arbeiterschaft, das Zusammenkünfte ohne Konsumzwang ermöglichte, Aufenthaltsräume für die Ortsgruppen der verschiedenen Vereine und Zimmer für durchreisende Wanderarbeiter bot, nach Möglichkeit mit der Konzession für einen Schankbetrieb, wurden daher große Anstrengungen unternommen. Der Kauf oder die Errichtung eines geeigneten Hauses bedeuteten in jedem Fall erhebliche finanzielle Opfer; nötige Umbauten und die Instandhaltung erforderten viele Stunden Arbeit in der Freizeit. Nicht überall waren diese Anstrengungen erfolgreich: Als 1934 die Sozialdemokratische Partei verboten und ihr gesamter Besitz beschlagnahmt wurde, existierten neben den schon erwähnten Arbeiterheimen lediglich in Kirchberg, Kufstein und Lienz ähnliche Einrichtungen. In Hall, Landeck und Telfs war es zumindest gelungen, ein passendes Lokal zu pachten.